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Nachwort

Wer herkömmliches Geld tatsächlich ersetzen will, sollte sich zunächst über sein Wesen im Klaren sein: Wie ist es überhaupt möglich, dass sich etwas mit derart offensichtlichen Mängeln Behaftetes so lange halten konnte? Immerhin handelt es sich bei Geld um keine Naturkatastrophe, sondern um eine menschliche Erfindung, die wir (jedenfalls als Spezies betrachtet) völlig freiwillig verwenden. Der Umstand, dass das Geldsystem in regelmäßigen Abständen kollabiert und dabei eine Spur von Tod und Vernichtung hinterlässt, hindert uns nicht daran, es – mit nur unmaßgeblichen Änderungen – immer wieder aufzubauen. Alternativwährungen gibt es seit Jahrzehnten – an der Fassade des traditionellen Geldsystems haben sie jedoch kaum einen Kratzer hinterlassen.

Wenn Geld zumindest gegen die menschliche Natur wäre – aber auch das scheint nicht der Fall zu sein: Im Grunde passt Geld zum Menschen wie der Schlüssel ins Schloss, auch wenn damit etwas freigesetzt wird, das vielleicht besser im Dunkeln geblieben wäre. Die meisten von uns finden Geld ausgesprochen anziehend, und diese de-facto Liebesbeziehung kann eigentlich nur dadurch getrübt werden, dass sich ihnen das Geliebte entzieht (womit die Probleme aber erst beginnen, denn es ist ja gerade die unerfüllten Liebe, für die man verrückte Dinge tut).

Bei näherem Hinsehen wird schnell klar, dass man etwas Reizvolles und geradezu Sinnliches wie traditionelles Geld nicht einfach durch etwas Unattraktives und Kraftloses ersetzen kann (genauso wenig, wie man den meisten Menschen statt köstlichem Junk Food rohe Selerie schmackhaft machen kann – unabhängig davon, ob das vielleicht gut für sie wäre). Der Besitz von Geld ist nicht nur befriedigend, er bedient auch unsere niederen Instinkte – moralische Erhabenheit ist für die Geldbenutzung ebenso wenig erforderlich wie Altruismus oder Weitsicht. Und: Geld beruhigt. Insofern ist die Geschichte des Geldes eine Erfolgsgeschichte, jedenfalls für das Geld. Will man neues Geld erfinden, das mit dem alten konkurrieren soll, ist man daher gut beraten, sich etwas von dieser Erfolgsgeschichte abzuschauen. Traditionelles Geld funktioniert auf einer geradezu physiologischen Ebene, und es gibt kaum einen, der dagegen vollständig immun ist. Ein vollwertiger Geldersatz müsste beim Menschen an denselben Rezeptoren andocken: Er müsste das System mit seinen eigenen Waffen schlagen.

Um zu reüssieren, muss neues Geld also mit dem alten auf Augenhöhe konkurrieren – und es muss auch für jene anziehend sein, denen das alte System noch nicht das Herz gebrochen hat. Ohne ausreichende Attraktivität ließe sich auch gar nicht jene Verbreitung erreichen, die für ein funktionierendes Finanzsystem notwendig ist. Der Trick ist daher nicht, ein paar Leute zur Benutzung einer besseren Alternativwährung zu bewegen – die eigentliche Herausforderung besteht darin, so viele Menschen wie möglich von der Benutzung traditioneller Währungen abzuhalten. Der tatsächliche Wert einer neuen Währung lässt sich dabei als Produkt aus Innovation und Verbreitung verstehen: Eine maßgebliche Änderung, die sich allgemein durchsetzen lässt, ist hoch gegriffenen Konzepten, deren flächendeckende Realisierbarkeit bei entsprechend selbstkritischer Hinterfragung gar nicht vorhanden ist, klar vorzuziehen.

Um künftigen Missbrauch ein für alle Mal auszuschließen, müssen der Prozess der Geldschöpfung demokratisiert und das einzige Tauschmittel der alleinigen Kontrolle durch eine privilegierte Minderheit dauerhaft entzogen werden. Es kann wohl nur als eine merkwürdige Ironie der Geschichte gesehen werden, dass Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zwar ein Recht auf Arbeit festschreibt, dabei aber auf das zu seiner selbstdienlichen Nutzung zwingend notwendige Recht auf Schöpfung eines Tauschmittels „vergessen“ wurde. Spätere Generationen werden wohl mit Fassungslosigkeit auf jene dunklen Jahrhunderte zurückblicken, in denen das Recht auf Geldschöpfung das Privileg einiger weniger war, und die deshalb von Unterdrückung, Leid und Zerstörung geprägt waren. Zu hoffen bleibt lediglich, dass dieser Tag nicht mehr in allzu ferner Zukunft liegt.

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